Poetische Texte, aber auch mein eigenes Reisen oder die Beobachtung des Verhaltens von Menschen, die auf Reisen sind, haben mich dazu bewogen, eine Ausstellung zum Thema des Reisens zu erarbeiten.
In dieser Auseinandersetzung sehnte ich mich danach, den Begriff des Reisens in seiner, für mich bedeutsamen Komplexität zu zeigen und gleichzeitig einen Streifzug durch die kunsthistorische Bandbreite der künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem Sujet zu wagen.
So präsentierte ich im Jahr 2018 in Neudörfl im Burgenland ua. klassische Reiseaquarelle von der Neudörfler Künstlerin Verena Haider, in einer, für sie ungewohnten Form einer nachgebauten Guckkastenversion. Diese konfrontierte ich mit einer Reise im Kopf, bzw. mit Hilfe einer virtuellen Funktion vollzogenen Reise von Joschka Röth, die durch seine persönliche Symbolik zu einer humorvollen fiktionalen Reiseroute wurde und ihren formalen Ausdruck auf einem großen Blatt Papier fand.
Klassische Reisefotografien aus Island vom Schweizer Fotografen Beat Schertenleib, welche mit zarten verschriftlichten Reisenotizen versehen wurden, begegneten durch den räumlichen Ausstellungskontext den emotional aufgeladenen, stark farbigen, aber figural verwaschenen Gemälden des kanadischen Künstlers Louis-Philippe Côté. Seine Darstellungen zweier Menschen zwischen Bäumen lassen Träumerisches erahnen und könnten als Verknüpfung zu schwer fassbaren Erinnerungsfetzen gesehen werden. Seine klein-formatigen Gemälde, bildeten eine visuelle Brücke zu den collagenartigen Malereien der burgenländischen Künstlerin Doris Dittrich. Mit einer zeitlich sehr aufwendigen, komplexen Technik, stellen ihre Bilder kontrastreiche Erinnerungsposten dar, die einerseits, teils auf brutale und destruktive, teils auf lieblich verspielte Weise, von der Geschichte eines Ortes erzählen, der von ihr bereist, wahrgenommen und in ihren Arbeiten durch historisches Wissen mit Bedeutung erweitert wurde.
In die real vollzogene Reise von Hanspeter Fiechter aus Zollikofen erhielt der Betrachter bewusst nur einen vagen Einblick, da die Auswahl seiner, nur von Eis, Schnee und verschiedene Tönen von Weiß erzählenden Aquarelle, viel Raum für fantastische Ergänzungen und philosophische Vertiefung ließen.
Rein fragmentarisch erschien auch die Arbeit der Wienerin Sabine Peyerl, welche Einblick gewährte in eines ihrer Lebensprojekte- einem Asylsuchenden einen neuen Nährboden für nichts Größeres und Bedeutsameres als die Möglichkeit einer neuen Heimat zu geben.
Auch vier kleine, dunkelhäutige Kinder sehnen sich nach einer Zukunft an einem anderen Ort, was der angolanische Künstler Binelde Hyrcan eindrücklich und humorvoll in seiner subtil anmutenden Videoarbeit Cambeck voiture versinnbildlichte. Trotz eines, für Westeuropäer schwergreifenden gesellschaftlichen Hintergrundwissens, erscheint diese Reise verspielt und leicht auf ihre Art und stellt somit eine Parallele zu der Arbeitsweise des in Paris lebenden Künstlers Julien Berthier dar. Dieser lässt in seinen schlichten Zeichnungen die Sinnbilder der Globalisierung, walrossartige Schiffscontainer, zu Objekten seiner kindlich anmutenden Phantasie werden. Bestückt mit Drogen, Kleberollen oder auch Kindheitserinnerungen könnten genau jene Materialien befördern, derer sich die in Montreal lebende Künstlerin Anne-Marie Ouellet in ihrer raumgreifenden Installation L´ idee du commun bedient. In dieser abstrahiert sich die Thematik des Reisens in das ausufernde Gebiet des Intellekts und versucht, “durch Interaktion mit dem Betrachter”, ein Sammelsurium für die Erschaffung eines neuen Gesellschaftsraums zu kreieren.
In diesem Sinne will die Ausstellung die erste Etappe einer Reise sein, welche es wagen wird, weiter zu wandern, an andere Orte, in andere Zeiten und in die Begegnung mit neuen Kontexten, um sich, immer wieder aufs Neue, selbst zu definieren, in einem für sie nie fixierten und starren, sondern stets beweglichen, fluiden Möglichkeitsraum.
Merci. Pour tout.
Et bon voyage!
Die Ausstellung wurde unterstützt von der Gemeinde Neudörfl, den Neudoerfler Office Systems, Juwelier Götz, misswebdesign, Weingut Eitzenberger und unika(r)t.